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Alle Beiträge von Stefan

Mobilitätsatlas

Daten und Fakten zur Verkehrswende

Heinrich-Böll-Stiftung & Verkehrsclub Deutschland e.V.
Berlin 2020. 52 Seiten.

Wie organisiert man sichere, zuverlässige und klimafreundliche Mobilität, für uns Menschen, aber auch für die vielen Waren und Dinge, die rund um die Uhr unterwegs sind? Das ist die Kernfrage von zukunftsgerechter Mobilitätspolitik und Verkehrswende.

Welche Rollen spielen autonome Autos? Was passiert mit der Autoindustrie und den Jobs? Wie kann ich nachhaltig reisen? Was tut die Politik, Bus und Bahn zu stärken? Wie kommen sichere Radwege in meine Stadt? Wie kann man in ländlichen Regionen auch ohne eigenes Auto von A nach B und C und zurückkommen? Was benötigt nachhaltige Elektromobilität? Mit diesen Fragen beschäftigt sich der Mobilitätsatlas,- und gibt auch Antworten darauf.

Der Mobilitätsatlas umfasst in 19 Beiträgen die wichtigsten Handlungsfelder und Lösungsansätze für sichere, zuverlässige und klimafreundliche Mobilität. Verständlich geschrieben und mit vielen Infografiken.

Mobilität und Freiheit brauchen die Verkehrswende

In der modernen Welt ist Mobilität ein Ausdruck von Freiheit und Selbstbestimmung sowie eine Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe. Das eigene Zuhause, Familie, Freunde und der Arbeitsplatz liegen oftmals nicht am gleichen Ort. Mobilität bietet die Möglichkeit, die Welt zu entdecken, Wissen auszutauschen, verschiedene Arten der Fernbeziehung zu pflegen. Die Wirtschaft und der Wohlstand vieler Menschen ist ohne Fahrzeuge zu Lande, zu Wasser und in der Luft kaum vorstellbar.

Die Massenmotorisierung mit fossilen Brennstoffen belastet aber eben auch die Umwelt und die menschliche Gesundheit. Der Verkehrssektor ist für ein Fünftel der deutschen CO2-Emmissionen verantwortlich. Den mit Abstand größten Anteil daran haben Autos und andere Straßenfahrzeuge. Verkehrsflächen tragen zur Zersiedelung und Fragmentierung von Lebensräumen bei. Oberflächen werden mit Beton versiegelt. Viele Menschen leiden unter Luft- und Lärmverschmutzung.

Bei der Verkehrswende geht es darum, dass individuelle Mobilität erhalten bleibt, ja, dass sich noch mehr Menschen frei und sicher bewegen können. Gleichzeitig geht es darum, Mobilität so zu gestalten, dass es unserer Lebensqualität und unserem öffentlichen Zusammenleben dient, dass es unserer Umwelt und dem Klima nicht schadet.

Eckpunkte für klimafreundliche und sozial verträgliche Mobilität

Wir müssen massiv in nachhaltige Mobilitätsinfrastrukturen und -netze investieren. Die Schiene ist das Rückgrat des öffentlichen Verkehrs,- vor Ort, regional und über weite Strecken. In ländlichen Räumen sind bessere Verbindungen mit Bus und Bahn und neue, digital vermittelte Mitfahrangebote gefragt. Für den Güterverkehr gibt es viele Ansätze, den CO2-Fußabdruck zu vermindern, diese Innovationen brauchen Koordination, Mut und Geld. Arbeitsplätze und Wettbewerbsfähigkeit der Autoindustrie bleiben erhalten, wenn die Unternehmen umsteuern, wenn sie klimagerechte Fahrzeuge und Dienstleistungen auf den Markt bringen.

Dafür benötigen die Unternehmen verlässliche politische Rahmenbedingungen und eine sinnvolle Regulierung.

Die Verkehrswende zählt auf Anreize und Fördersysteme, so dass sich ein Umstieg lohnt, etwa vom Verbrenner ins Elektroauto. Ökostrom treibt klimafreundliche Fahrzeuge an. Deswegen gehören Energiewende und Verkehrswende zusammen.

Über autonome Autos wird viel geredet. Wann und wie sie auf deutschen Straßen fahren werden, darüber ist die Fachwelt uneinig. Für die Verkehrswende sollten autonome Autos als Shuttle in den öffentlichen Verkehr integriert werden. „Robo-Taxen“ können den Öffentlichen Verkehr effizienter und attraktiver machen.

Konzepte für nachhaltigen Tourismus setzen sich langsam durch. Wir wollen bewahren, was wir lieben und gleichzeitig Reisen und kulturellen Austausch vielen Menschen ermöglichen. Konzepte für nachhaltigen Tourismus benötigen politische Unterstützung und Urlauber/innen, die bereit sind mitzumachen.

Die Menschen wollen in lebenswerten Städten und in gut verbundenen und angebundenen ländlichen Räumen leben. Es gibt ein hohes Bedürfnis der Bürgerinnen und Bürger nach einer entspannten, klimaschonenden, gesunden und sicheren Fortbewegung.

Wir sind in Bewegung. Unsere Welt ist es auch. Wir müssen Mobilität verstehen, um sie verändern zu können. Informiere dich jetzt im Mobilitätsatlas.

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Insektenatlas 2020

Daten und Fakten über Nütz- und Schädlinge in der Landwirtschaft

Heinrich-Böll-Stiftung, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland & LE MONDE diplomatique
Berlin 2020. 52 Seiten.

Würden wir sie zählen, so kämen auf jeden Menschen dieser Erde rund 1,4 Milliarden Insekten aus geschätzten 5,5 Millionen unterschiedlichen Arten. Es gibt eine schier unvorstellbare Menge und Vielfalt an sechsbeinigen Tieren, mit denen wir uns die Welt teilen. Der Insektenatlas zeigt, wie die bunte Welt der Insekten mit unserer Landwirtschaft und Ernährung verbunden ist.

Eine Welt ohne Insekten kann man sich nicht vorstellen – so wichtig sind die meist kleinen Wesen für das Funktionieren unserer Ökosysteme. Sie bestäuben Pflanzen, fördern die Beseitigung toter Organismen, verbessern die Bodenqualität und vertilgen schädliche Artgenossen. Sie sind untrennbar mit der Landwirtschaft und mit unserer Ernährung verbunden – und dennoch ist gerade die intensive Landwirtschaft eine der größten Bedrohungen für sie. Wir erleben derzeit einen dramatischen Rückgang der Insekten in Deutschland, Europa und weltweit. Viele Arten sind bedroht, in fast allen Arten nimmt die Zahl der Tiere ab. Ein wichtiger Grund dafür ist die intensive Landwirtschaft. Monotone Landschaften, der Einsatz von Pestiziden, intensiver Ackerbau und weniger Weidehaltung von Tieren nehmen den Insekten die Lebensräume.

Der Insektenatlas zeigt, dass sie Agrarpolitik schon lange die richtige Richtung weisen hätte können. Aber es ist nichts passiert. Dabei hätten die Bäuerinnen und Bauern eine gute Politik verdient: eine, die die richtigen Anreize für die Zukunft setzt. Eine insektenfreundliche Landwirtschaft muss gefördert werden. Unterstützen heißt in diesem Fall, sie konkret finanziell zu fördern. Insektenschutz zahlen wir nicht an der Ladenkasse. Die Bäuerinnen und Bauern bekommen ihn nicht entlohnt. Genau das muss aber passieren – am besten, indem die EU die fast 60 Milliarden Euro jährlich, mit denen sie die europäische Landwirtschaft unterstützt, zielgerichtet für eine insekten- und klimafreundliche Landwirtschaft einsetzt.

Aber der Insektenatlas zeigt auch, dass ein Blick auf die Felder vor unserer Haustür nicht reicht. Die importierten Futtermittel für die vielen Millionen Nutztiere, die den weltweiten Hunger auf billiges Fleisch befriedigen, wachsen vor allem in Südamerika. Dort, in den artenreichsten Regionen der Welt, werden Millionen Hektar Wald gerodet und für die Soja- und Fleischproduktion nutzbar gemacht. Nun verhandelt die EU eines Freihandelsabkommen mit den „Mercosur“-Staaten Lateinamerikas, damit noch mehr günstige Agrarprodukte ohne Handelsbeschränkungen zu uns kommen können – sehr zum Leidwesen der hiesigen Bäuerinnen und Bauern sowie der Insekten.

Der Insektenatlas zeigt, was die Politik, die Bäuerinnen und Bauern aber auch jede einzelne von uns tun kann, um eine insektenfreundliche Landwirtschaft zu stärken. Mit den Daten und Fakten in diesem Insektenatlas möchten wir zur lebendigen Debatte rund um Landwirtschaft und Insekten beitragen. Zugleich wollen wir darstellen, wie vielfältig, bunt und schützenswert die Welt der Insekten ist. Unser Anliegen ist zu zeigen, dass Landwirtschaft und Insektenschutz eine ambitionierte Politik brauchen – nicht nur in Deutschland und Europa, sondern weltweit. Die Herausforderungen sind groß, und damit sie bewältigt werden können, müssen wir nach gemeinsamen Lösungen suchen.

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Economists4future

Verantwortung übernehmen für eine bessere Welt

economists4futureLars Hochmann (Hrsg.)
Murmann Verlag 2020
Hamburg. 296 Seiten.

Hunderttausende Schülerinnen und Schüler beharren auf eine konsequente Klimapolitik. Eltern, Lehrer*innen, Unternehmer*innen und viele weitere Menschen solidarisieren sich mit ihnen, darunter über 26.000 scientists4future aus diversen Disziplinen. Nur die etablierten Wirtschaftswissenschaften schweigen. Das ist kein Zufall, denn ihr Denkstil hat wesentlich zu den Krisen der Gegenwart beigetragen: Denn eins haben Klimakrise, Finanz- und Wirtschaftskrise ebenso wie die Corona-Pandemie gemein: Sie entlarven die Fragilität unserer Wirtschaft und zeigen, wie abhängig wir uns als Gesellschaft von ihr gemacht haben. Alte, scheinbar bewährte Lösungen greifen nicht mehr, Lieferengpässe reißen ganze Zweige in den Abgrund, das gesellschaftliche Zusammenleben gerät aus den Fugen.

Zeit für die Wirtschaftswissenschaften, die Gebetsmühle aus Effizienz und Eigennutz zu zerschlagen und neue Visionen für eine bessere Welt aufzuzeigen.
In „economists4future“ mischt sich eine Gruppe von Weiterdenker*innen in die jetzt notwendige Umgestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft ein – und verändert damit selbstverständlich geglaubte Spielregeln einer wichtigen Wissenschaft.

3 Fragen – 3 Antworten

Wer sind die economists4future?

Lars Hochmann: Economists4future sind Weiterdenker*innen, die eine neue Wirtschaft verstehen und gestalten wollen: wissenschaftsbasiert, reflektiert und demokratisch. Sie sind in Schulen, Hochschulen, NGOs, Unternehmen oder anderen Organisationen tätig. Sie verbindet eine Idee, deren Zeit gekommen ist: Noch nie wussten wir so viel über die Krisen der Gegenwart und noch nie war der gesellschaftliche Wille so mächtig, die jetzt notwendigen Transformationen für eine bessere Welt in Gang zu setzen.

Warum braucht es gerade jetzt economists4future?

Lars Hochmann: Die Zukunft ist zwar grundsätzlich offen, aber im Labyrinth immer neuer Krisen müssen wir uns eingestehen: sie ist es zunehmend weniger. Business-as-usual vervielfältigt die Ursachen der Krisen und verkleinert unsere gesellschaftlichen Möglichkeitsräume. Jetzt braucht es Vorstellungskraft und wissenschaftlichen Möglichkeitssinn für eine neue Wirtschaft. Denn heute können wir uns noch entscheiden: setzen wir auf reflektierte Neugestaltung oder auf hektische Anpassung? Wer die bessere Gesellschaft mit mehr Lebensglück für alle will, muss Wirtschaft jetzt neu denken.

Wie können economists4future Wirtschaft neu denken?

Lars Hochmann: Wirtschaft ist kein Naturgesetz, sondern das, was eine Gesellschaft als Wirtschaft behandelt. Gemeinsam mit der Gesellschaft bereiten economists4future das Neue im Alten vor, suchen nach innovativen Wegen der Versorgung mit Nahrungsmitteln, Gesundheit, Mobilität etc. Sie arbeiten an Begriffen, legen Voraussetzungen offen, vereinen verschiedentlichen Perspektiven, binden das Wissen der Vielen ein, befähigen zu neuen Gewohnheiten im Denken wie Handeln und verlassen so das Labyrinth der Krisen auf neuen Wegen zu einer zukunftsfähigen Wirtschaft.

Interview bei Deutschlandfunk Kultur vom 25. September 2020

„Deswegen ist das Buch zu Recht nicht nur eine Einmischung in eine drängende Debatte, sondern vor allem eine Einladung an all diejenigen Menschen, die etwas bewegen möchten: „Gemeinsam ist eine bessere Welt möglich. Lasst uns der alten Normalität den Rücken kehren“, heißt es am Schluss im Buch.

Die Zeit für den Wandel ist da. Auch und gerade für die Wirtschaftswissenschaften. „Economists4Future“ gibt dazu einen wichtigen Anschub. Überfällig. Endlich.“
Claudia Kemfert, 20.9.2020, Klimareporter

Buchbesprechung bei Klimareporter von Claudia Kemfert

Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur

Alexander von HumboldtAndrea Wulf
Bertelsmann 2016, Penguin 2018
München. 560 Seiten.

Er war seiner Zeit weit voraus: Alexander von Humboldt, Universalgelehrter, unermüdlicher Naturforscher, der »zweite Kolumbus« und »Wiederentdecker Amerikas«. Wie kein anderer Wissenschaftler prägte er unser Verständnis von der Natur als lebendigem Ganzen, als Kosmos, in dem alles miteinander verbunden ist und dessen untrennbarer Teil wir sind. In ihrer vielfach ausgezeichneten Biografie führt Andrea Wulf durch das abenteuerliche Leben Humboldts und sein Werk. Er begreift die Natur in ihrer ganzen Fülle als Lebensnetz und prägt damit auch unser Wissen um die Verwundbarkeit der Erde. So bleibt er unverändert wichtig – bis heute.

„Andrea Wulfs großer Verdienst ist nun, dass sie nicht nur eine Lebens-, sondern auch eine kluge Ideengeschichte geschrieben hat. Denn durch viele seiner Freundschaften und über seine immense Korrespondenz hat Alexander von Humboldt vieles angestoßen: Mit dem Unabhängigkeitskämpfer Simon Bolivar diskutierte er die Kolonialherrschaft und motivierte ihn so, sich in seiner Heimat gegen die Spanier zu wenden. Charles Darwin wurde durch Humboldts Reiseberichte zu seiner eigenen Fahrt mit der „Beagle“ ermuntert und er inspirierte maßgeblich die Gründer der amerikanischen Naturschutzbewegung.“ Volker Wildermuth, Deutschlandfunk Kultur 11.10.2015

„Gerade in Zeiten der bachelor- und masterorientierten Scheuklappenwissenschaften und eines US-Präsidenten, der den Klimawandel als Erfindung der Chinesen bezeichnet, ist es nützlich und wichtig, sich des interdisziplinär und nachhaltig denkenden Universalgelehrten Alexander von Humboldt zu erinnern. Wenn es auf so kurzweilige Art geschieht wie in diesem Buch, dann umso besser.“ Paul Riemann, Spektrum 16.03.2017

Leseprobe

Earth Overshoot Day 2020

Wer hat an der Uhr gedreht? Aufgeschoben, nicht aufgehoben!

In diesem Jahr fällt nach Abschätzungen des Global Footprint Networks (GFN) der Earth Overshoot Day, auch Welterschöpfungstag genannt, auf den 22. August1,2. Damit haben wir als Menschheit in diesem Jahr die Rohstoffe und Naturleistungen, die uns die Erde innerhalb eines Jahres zur Verfügung stellen kann, erst 24 Tage später aufgebraucht, als im Jahr 2019.

Darüber könnte man sich freuen, doch diese Verschiebung des Welterschöpfungstages ist nur der Corona-Pandemie und damit unendlichem menschlichem Leid zu verdanken. Nach Angaben des GFN ist die Verringerung des ökologischen Fußabdrucks durch den geringeren Holzverbrauch und die geringeren CO2-Emissionen infolge der globalen COVID-19 Quarantänen verursacht. Durch den fast weltweiten Lockdown ist der globale Flugverkehr bis Mitte April gegenüber Anfang des Jahres um 64,5%, bei Frachtflügen um 75,2%, zurückgegangen3, wodurch Lieferketten unterbrochen wurden. Die daraus resultierende Störung in der Lebensmittelversorgung führte zu vermehrten Lebensmittelabfällen auf Seite der Produzenten und andererseits zu mehr Unterernährung und Hunger ärmerer Menschen4. Ausländische Saisonarbeiter konnten nicht mehr ins Land kommen, wodurch diese ihre (magere) Einkommensquelle einbüßten und Feldfrüchte konnten nicht geerntet werden. Viele Menschen wurden arbeitslos, weil Betriebe aufgrund fehlender Vorprodukte oder akuter Infektionsfälle schließen mussten. Von den verheerenden Folgen für die Menschen in Krisengebieten, Flüchtlingslagern und Notunterkünften soll hier gar nicht die Rede sein.

Die Corona-Pandemie hat zum einen gezeigt, wie international verflochten und abhängig unsere Wirtschaft ist. Sie hat aber auch gezeigt, zu was wir als Gesellschaft fähig sind, denn durch rasche und entschlossene Maßnahmen konnten bei uns die Infektionszahlen schnell verringert werden. Der Blick in andere Länder wie USA, Großbritannien oder Brasilien zeigt, was ohne diese drastischen Maßnahmen auch in Deutschland hätte geschehen können. Die Warnungen der Virologen und Epidemiologen ernst zu nehmen und deren Ratschläge zu befolgen, hat sich als hilfreich erwiesen, denn dadurch konnte Schlimmeres verhindert werden.

Warum also hören wir nicht auch auf die Wissenschaft, wenn es um unsere Lebensgrundlagen geht?

Die Bundesregierung hat 1992 mit dem Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) ein Beratergremium eingerichtet, um unter anderem Umwelt- und Entwicklungsprobleme zu analysieren und Handlungsempfehlungen zu erarbeiten. In einem Sondergutachten „Entwicklung und Gerechtigkeit durch Transformation: Die vier großen I“5 schlägt der WBGU konkrete Maßnahmen für eine gerechte und nachhaltige Weltwirtschaft vor, die von der Politik weitgehend ignoriert werden. Klimaforscher warnen seit Jahrzehnten vor den Folgen des ungebremsten CO2-Ausstoßes, aber unsere Bundesregierung will das letzte Kohlekraftwerk erst 2038 abschalten lassen6. Statt konsequent die Transformation zu einer dekarbonisierten Wirtschaft voranzutreiben, werden veraltete Technologien künstlich am Leben gehalten. Im Bereich der Erneuerbaren Energien haben wir durch das Festhalten an der Kohleverstromung bereits die Photovoltaikbranche in Deutschland ruiniert. Durch unsichere politische Rahmenbedingungen sind dort mehr als 24.000 Arbeitsplätze verloren gegangen7. Für deutsche Autos mit Verbrennungsmotor wird sich bald niemand mehr auf dem internationalen Markt interessieren. In Norwegen werden ab 2025 keine Autos mehr mit Verbrennungsmotor zugelassen. In Dänemark, Indien, Irland, Israel, Niederlande, Slowenien und Schweden ist ab 2030 Schluss damit und andere Länder folgen8. Das bedeutet, spätestens dann werden bei uns die Arbeitsplätze in der Automobilindustrie verloren gehen. Warum also nicht bereits jetzt andere Antriebs- und Mobilitätskonzepte umsetzen, die neue Arbeitsplätze schaffen? Die Corona-Krise wäre dafür ein geeigneter Anlass. Statt jetzt wieder mit viel Geld die Wirtschaft nach altem Muster hochzufahren, könnten die Gelder jetzt für eine echte Transformation eingesetzt werden.

Wenn wir wieder zu einer Wirtschaftsweise wie vor der Corona-Pandemie zurückkehren, wird die Vernichtung des Naturkapitals weitergehen und die Klimakrise wird weiter verschärft werden. Wir könnten aber jetzt auf die Wissenschaft hören und unsere Gesellschaft zu einer solidarischen, gerechten und nachhaltigen Gesellschaft verändern. Die Vorschläge liegen auf dem Tisch. Solange jedoch Gewinnmaximierung vor Gemeinwohl geht und mit Ressourcen verschlingenden, klimaschädlichen Geschäften kurzfristig viel Geld verdient werden kann, wird sich nichts ändern. Noch haben die Vertreter der alten Wirtschaftsweise zu viel Einfluss und es fehlt daher in der Politik am Willen, die Vorschläge der Wissenschaft umzusetzen. Aber das kann sich ändern.

Der französische Soziologe und Philosoph Bruno Latour fordert in seinem Essay „Welche Schutzmaßnahmen können wir uns vorstellen, damit wir nicht zum Produktionsmodell der Zeit vor der Krise zurückkehren?“ die LeserInnen auf, die Zeit im Lockdown zu nutzen, um sich selbst zu fragen, welche Aktivitäten nach der Corona-Krise wieder aufgenommen werden sollen und welche nicht. Die Entscheidungen sollen gut begründet und die Folgen gründlich überdacht werden. Diese Beschreibungen sollen zusammengeführt werden und eine Landschaft aus Konfliktlinien, Bündnissen, Kontroversen und Gegensätzen entstehen lassen, die uns bei der Suche nach einem Weg aus dem alten Wirtschaftssystem hilft.

Die Corona-Krise hat gezeigt, dass die Menschen in unserem Land auch unpopuläre Entscheidungen akzeptieren und mittragen, wenn die Bedrohung erkannt ist und der Weg klar ist, auf dem man die Bedrohung in den Griff bekommen kann. „Wenn in ein oder zwei Monaten Milliarden von Menschen auf der Stelle in der Lage sind, die neue ’soziale Distanz‘ zu erlernen, Abstand zu halten, um mehr Solidarität zu zeigen, zu Hause zu bleiben, um eine Überfüllung der Krankenhäuser zu vermeiden, können wir uns die transformative Kraft dieser neuen Schutzgesten vorstellen, die sich gegen die Wiederherstellung des Bestehenden richten oder – noch schlimmer – gegen eine Offensive derer, die der Anziehungskraft der Erde für immer entgehen wollen“ (Bruno Latour9,10).

Zu den Ursachen der Corona-Krise und den Lehren daraus hatten wir uns bereits im April in einem Beitrag geäußert11.

Informationen zum Overshoot und weiterführende Links dazu findest du beispielsweise auf folgenden Internetseiten:

http://www.footprintcalculator.org/
https://www.fussabdruck.de/
https://www.footprintnetwork.org/
https://www.footprint.at (hier auch weitere Hintergrundinformationen)
https://take5.plattform-footprint.de
https://www.transition-initiativen.de/
https://www.overshootday.org/ (mit Vorschlägen, wie jeder von uns SOFORT seinen Footprint verkleinern kann)

Das Ozeanbuch

Über die Bedrohung der Meere

Esther Gonstalla
oekom Verlag 2017, bpb 2018
München. 128 Seiten.

Steigender Meeresspiegel, havarierende Ölplattformen, wachsende Müllstrudel und Überfischung: Die Ozeane sind in Gefahr. Um das sensible Ökosystem schützen zu können, ist es wichtig, die Zusammenhänge zwischen menschlichem Handeln und den Veränderungen des maritimen Lebensraums besser zu verstehen.

»Das Ozeanbuch« liefert ein umfassendes Bild über die Bedrohung dieses gleichermaßen unbekannten wie faszinierenden Lebensraums und macht Zusammenhänge in über 45 Infografiken leicht verständlich.

„Das »Ozeanbuch« bietet einen kompetenten Überblick, der beeindruckend und zugleich atemberaubend ist. Es zeichnet ein umfassendes Bild der Destruktion, der Risiken und Chancen und verdeutlicht Zusammenhänge. Es leistet dies nicht mit langen und komplizierten Texten, sondern in über 45 hervorragenden, leicht verständlichen Infografiken. So leicht diese grafische Übersichtlichkeit die Erarbeitung der Inhalte macht, so sehr geht diese komprimierte Darstellung unter die Haut.“
Klaus Oberzig in Sonnenenergie 3/2017.

Leseprobe

Das Klimabuch

Alles, was man wissen muss, in 50 Grafiken

Esther Gonstalla
oekom Verlag, bpb 2019
München. 128 Seiten.

Dürre und Hitzewellen, aber auch Kälteeinbrüche, Überflutungen und Starkregen: Die Klimakrise ist zu einem globalen Thema geworden, das niemand mehr ignorieren kann.

Hier setzt »Das Klimabuch« an: Mit der Unterstützung zahlreicher Wissenschaftler hat Esther Gonstalla die komplexen Zusammenhänge und wissenschaftlichen Daten zur globalen Erwärmung zu leicht verständlichen Infografiken verarbeitet – für alle, die nicht nur begreifen, sondern auch handeln wollen.

„Gründliche Recherche, nüchterne Grafiken, glasklare Informationen und die knallharten Erkenntnisse der Klimaforschung vereinen sich in „Das Klimabuch“ zu einer nachwirkenden Lektüre.“
Susanne Billig, Deutschlandfunk Kultur 16.08.2019.

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Ökoroutine

Michael Kopatz
oekom Verlag 2016, bpb 2017
München. 416 Seiten.

Dieses Buch macht Schluss mit umweltmoralischen Appellen! Es zeigt: Wir können nachhaltig leben, ohne uns tagtäglich mit Klimawandel oder Massentierhaltung befassen zu müssen. Wir machen »Öko« einfach zur Routine!

Was unmöglich erscheint, ist konzeptionell denkbar einfach: Mülltrennung, Sparlampen, Effizienzhäuser – alles längst realisiert und akzeptiert. Was wir zur Durchsetzung einer gelebten Nachhaltigkeit brauchen, ist eine engagierte und anpackende Politik, die neue, innovative Standards und Limits in Abstimmung mit den Bürgerinnen und Bürgern ins Werk setzt: Wenn elektronische Geräte weniger oft kaputtgehen, die Tierhaltung nach und nach artgerechter wird oder bedenkliche Zusatzstoffe aus Lebensmitteln verschwinden – welcher Verbraucher würde sich darüber beschweren?

Michael Kopatz präsentiert eine Vielzahl oftmals leicht umsetzbarer, politischer Vorschläge für alle Lebensbereiche, damit die Utopien von heute schon bald die Realitäten von morgen werden.

„Und so formuliert der Autor Handlungsverschläge zu Themen wie Essen, Wohnen, Arbeit, Energie, Konsum, Mobilität. Er denkt über Tempolimits und Obergrenzen für den Luftverkehr nach. Die Geschichte der Zivilisation, erklärt Kopatz, sei eine Geschichte der Fortschreibung von Regeln – und diese Regeln müssen nun in Richtung Nachhaltigkeit verändert werden, um die Natur zu schützen, statt sie zu zerstören. Ein interessantes Buch voller Denkanstöße.“
Dagmar Röhrlich, Deutschlandfunk, 23.10.2016.

Interview mit Michael Kopatz bei Deutschlandfunk Kultur.

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Die Erde rechnet ab

Wo wir handeln müssen und was wir tun können, um unsere Zukunft zu retten

Claus-Peter Hutter
Ludwig Verlag 2018, Heyne Verlag 2020, bpb 2019
München. 304 Seiten.

Jahrhundertsturm, Jahrtausendflut, verdorrte Böden, Insektenplagen – extreme Wetter- und Naturereignisse treten inzwischen im Jahresrhythmus auf und finden längst nicht mehr nur in fernen Ländern statt. Und dennoch sind dies erst Vorboten! Umweltexperte Claus-Peter Hutter führt uns eindringlich vor Augen, wie weit der Klimawandel schon vorangeschritten ist, womit wir in den nächsten Jahren noch rechnen müssen und welche Strategien für ein Leben unter verschärften Bedingungen wir alle angehen müssen. Wir alle können und müssen etwas tun. Jeder Tag zählt!

„Die Erde rechnet ab“ enthält viele richtige und wichtige Informationen, leider aber auch viel Unsinn. Natürlich sind wir gerade dabei, die Lebensbedingungen auf diesem Planeten dramatisch zu verändern. Das müssen wir aus reinem Eigeninteresse stoppen. Und wir müssen uns auch auf die veränderten Bedingungen einstellen. Wenn der Autor im Kapitel „Kluge Vorsorge statt blindes Vertrauen“  allerdings vorschlägt, man solle wieder lernen, ohne Hilfsmittel in der Wildnis zu überleben, hat es schon etwas Lächerliches.  Einem Großstadtbewohner werden Kenntnisse im Fischfang, wie man Feuer ohne Feuerzeug macht oder die Kenntnis von Pflanzenarten und der Nutzbarkeit wenig bringen.

Wenn Hutter die derzeitige Fleischproduktion und die Erhaltung unserer Kulturlandschaft in einen Zusammenhang bringt, weil diese Landschaften Ergebnisse der Beweidung sind, offenbart das eine romantische Sicht dieser Welt. Das billige Fleisch aus den Supermärkten kommt ganz sicher nicht von Tieren, die vorher auf Wacholderheiden oder Magerwiesen geweidet haben.  Im Gegenteil, die Massentierhaltung zerstört unsere Kulturlandschaft, weil in großem Maßstab Futtermittel in Monokulturen angebaut werden und die Exkremente dieser Tiere unser Grundwasser und die Atmosphäre belasten. Die Tiere für unser billiges Fleisch stehen in großen Ställen und werden unter anderem mit Soja gefüttert, für dessen Anbau Regenwaldfläche gerodet werden musste.  Dass VegetarierInnen und VeganerInnen ebenfalls an dieser Regenwaldzerstörung  Schuld seien, weil das Soja für Tofu aus dem Regenwald käme, ist schlicht falsch.

Dass am Ende des Buches auch noch für den Verzicht auf Kinder geworben wird, weil jedes Kind weniger angeblich 58,6 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen würde, ist absoluter Nonsens. Es kommt in erster Linie nicht darauf an, wie viele Menschen wir auf der Erde sind, sondern welchen Lebensstil wir pflegen. Es sind die relativ wenigen Menschen in den reichen Ländern, die die Ressourcen dieser Erde übermäßig verbrauchen. Eine Beschäftigung mit dem Konzept des Ökologischen Fußabdrucks hätte da Klarheit bringen können.  Aber auch wenn man weiß, dass laut Eurostat der CO2-Ausstoß pro Kopf und Jahr in Deutschland bei etwa 11 Tonnen liegt, muss einem klar werden, dass da etwas an der Rechnung nicht stimmen kann.

Gelegentlich habe ich mich schon gefragt, ob der Autor überhaupt weiß, wovon er schreibt. So behauptet er, der CO2-Gehalt der Atmosphäre hätte bisher immer bei 0,4 Prozent gelegen (er lag  vorindustriell bei 0,028 Prozent und lag im Jahr 2017 bei 0,0405 Prozent). Zur Stützung seiner These von der Überbevölkerung behauptet er, die Vereinten Nationen schätzten den Anstieg der Weltbevölkerung für das Jahr 2100 auf 16 Milliarden Menschen. Tatsächlich liegt die Schätzung bei knapp 11 Milliarden.

Bei der Lektüre von Hutters „Die Erde rechnet ab“ sollte man sich immer eine gute Portion Skepsis bewahren. Aber vielleicht ist das ja auch das Gute an dem Buch: Es ist eine Aufforderung, sich intensiver mit den angerissenen Themen zu beschäftigen. Stefan Simonis

»Klimaschutz muss zu Hause, in jedem Dorf, in jeder Stadt anfangen. Claus-Peter Hutter zeigt konkret, was Sie als Einzelne tun können!« Arved Fuchs, Polarforscher

»Dieses Buch verdient es, von vielen Menschen gelesen zu werden; es ist verständlich geschrieben, reduziert die Komplexität, ohne dadurch banal oder unseriös zu werden« Prof. Dr. Klaus Töpfer

»Viel zu lange hat man auf uns Wissenschaftler nicht gehört – Dieses Buch zeigt mit vielen Beispielen, wie wir die Herausforderung Klimawandel meistern können« Prof. Dr. Mojib Latif, Klimaforscher

Rezension zu „Die Erde rechnet ab“ von Eckart Löhr auf re-visionen.

Interview mit Claus-Peter Hutter in der Münchner Abendzeitung.

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Keine Wirtschaftshilfen ohne Bedingungen

von Michel Siebert, Jugendrat der Generationenstiftung

Wir reden aktuell oft davon, wie die Welt nach Corona aussehen soll, wie sie aussehen wird, und wie wir sie verändern wollen. Wir betonen es immer wieder, aber: Die Welt nach Corona wird jetzt gestaltet, und jetzt werden die entscheidenden Weichen für unser aller Zukunft gestellt. Und insbesondere die Wirtschaftshilfen der Bundesregierung spielen hier eine zentrale Rolle. Wieso? Sie entscheiden darüber, wie viel Last und von wem in der Zukunft getragen werden muss. Wenn wir hier also von Generationen Gerechtigkeit sprechen, dann muss uns die Bedeutsamkeit dieser wirtschaftspolitischen Entscheidungen immer bewusst sein. Denn: Da entstehen Schulden, die wir, die junge Generation später zurückzahlen werden! Und wer, wenn nicht wir, sollte deswegen mitentscheiden, wie diese Gelder verteilt werden?? 

Nach aktuellen Schätzungen wird die Bundesregierung über 1 Billion Euro für Wirtschaftshilfen ausgeben. Grundsätzlich ist das ja richtig: Viele Menschen brauchen Hilfen, um über die aktuelle Notlage hinwegzukommen. Aber was erschreckend, unvernünftig und auch unverschämt ist: Ökologisch-soziale Bedingungen sind hier ein Fremdwort!

An dieser Stelle mal ein Beispiel, um zu illustrieren, was die Folgen dieses Handelns sind: TUI, einer der größten Reiseveranstalter, hat staatliche Rettungsgelder in Milliardenhöhe erhalten. Trotzdem wurden weiter Dividenden ausgezahlt, und um das noch zu toppen werden 8000 Stellen gestrichen. Dies ist kein Einzelfall: Eine Vielzahl von Unternehmen haben angekündigt, die Dividenden vorerst weiter auszuzahlen.  Das ist nicht zu rechtfertigen, und deshalb fordern wir: Es dürfen keine staatlichen Hilfsgelder an Unternehmen ausgezahlt werden, die gleichzeitig Dividenden an Aktionär*innen auszahlen. 

Genauso kurzsichtig sind die aktuellen Diskussionen rund um die Lufthansa: Ohne eine Verpflichtung, in nachhaltige Rohstoffe zu investieren, wird dieses sinnfreie Mantra der Liquidität immer an erster Stelle stehen, und der Klimaschutz und auch die Mitarbeiter*Innen stehen wieder hinten an. Frankreich, und viele andere Staaten machen es doch vor, warum ziehen wir nicht nach? Alle Krisenhilfen für Großkonzerne müssen an strenge, transparente, soziale und ökologische Bedingungen geknüpft werden. 

Anderer Punkt: Während viele Menschen aktuell von ihrem gesamten Ersparten leben müssen, können Unternehmen ihre Verluste vergesellschaften. Was ist das für eine Logik: Gewinne sind fast immer privatisierbar und werden in Steueroasen geparkt. Wenn dann jedoch Verluste erwirtschaftet werden, werden diese sofort an die Allgemeinheit weitergegeben, ohne dass diese viel mitreden kann? So unterstützt die Bundesregierung die Umverteilung vom ganzen Volk weg hin zu den Reichen! Was ist das ein Verständnis von Verantwortung und Gerechtigkeit? Unseres sieht so aus: Es ist nur fair, dass alle Unternehmen dazu verpflichtet werden Krisenhilfen von künftigen Gewinnen zurückzuzahlen. Oder wollen wir wirklich den Grundstein dafür legen, dass klimaschädliche und Menschen ausbeutende Unternehmen auf unsere Kosten wieder extrem profitabel in der Zukunft werden.? 

Nein, das wollen wir nicht. Und genau deshalb braucht dieses kapitalistische System einen grundlegenden Wandel. Und diese Forderungen sind dafür der erste Schritt. 

Die Forderungen des Jugendrates der Generationenstiftung  hier unterstützen.