Earth Overshoot Day 2019

Höchste Zeit
Mir reichts! Greta!
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Schlaraffenland ist abgebrannt!

Die Überschrift klingt dramatisch, aber sie ist der Lage angemessen. Wir brechen gerade einen Rekord nach dem anderen. Von April 2018 bis April 2019 lagen die Temperaturen stets über dem langjährigen Mittel. Auf den kühlen Mai 2019 folgt der heißeste jemals gemessene Juni. Die arktischen Eisschilde schmelzen schneller und der Permafrostboden in der Arktis taut 70 Jahre früher auf als vorhergesagt. In der Arktis brennen die Wälder und auch in Deutschland sterben die Wälder, weil es zu heiß und zu trocken ist.

Dank Fridays for Future und Extinction Rebellion ist die Klimakatastrophe auf der Tagesordnung der Politik, aber die Regierung tut sich schwer, schnelle und wirkungsvolle Maßnahmen zu ergreifen. Stattdessen wird mit dem Argument der Arbeitsplatzsicherung alles versucht, die Industrie zu schonen. Doch das ist kurzsichtig, denn Arbeitsplätze lassen sich dauerhaft nur durch einen zügigen Strukturwandel erhalten. Und die Kosten der Klimakatastrophe und ihrer Folgen werden die Kosten für die Schadensbegrenzung deutlich übersteigen. Ach ja, die Hoffnung, dass dies erst spätere Generationen betreffen wird, kann man bei der augenblicklichen Dynamik der klimatischen Veränderungen getrost vergessen.

Aber nicht nur die Politik ist unfähig zu handeln, sondern auch wir Bürger. Die Fluggastzahlen steigen weiter, es werden weiterhin viel zu große und viel zu viele Autos gekauft und der Versandhandel boomt. Der Fleischkonsum ist mit ca. 60 Kilogramm pro Person noch immer auf hohem Niveau und wir werfen pro Person noch immer mehr als 85 Kilogramm an Lebensmittel in den Müll.  Und offensichtlich beziehen noch immer zu wenige Menschen Ökostrom, sonst wären die Kohlekraftwerke schon längst abgeschaltet.  Wir tun so, als wäre grenzenloser Naturverbrauch möglich.

Doch heute, am 29. Juli 2019,  sind nach Berechnungen des Global Footprint Network (GFN) bereits sämtliche Rohstoffe und Naturleistungen aufge­braucht, die von der Erde innerhalb eines Jahres bereitgestellt werden können. Den Rest des Jahres leben wir wieder von der Sub­stanz. Und so langsam bemerken wir, dass das nicht nur auf Kosten zukünftiger Generationen und Menschen in anderen Teilen der Welt geht, sondern dass uns das direkt betrifft. Die Klimakatastrophe ist längst im Gange, verändert nicht nur in anderen Weltregionen ganze Ökosysteme, vernichtet nicht nur dort viele Tier- und Pflanzenarten und treibt Menschen zur Flucht, weil sie in ihrer Heimat nicht mehr leben können. Auch hier bekommen wir es jetzt zu spüren. Außergewöhnliche Hitze und Trockenheit haben auch in Deutschland im letzten Jahr bei Getreide zu Ernteausfälle von 19% geführt. Tier- und Pflanzenarten werde auch bei uns durch den Klimawandel bedroht. Bisher hier unbekannte Arten wandern dagegen ein und verändern die Artengemeinschaften. Extremwetterlagen sorgen dafür, dass Ernten auf den Äckern verdorren oder wertvoller Ackerboden fortgespült wird. Während die Einen  das Badewetter genießen, bangen die Anderen um ihre Existenz. Aber wir werden bald alle merken, dass auch wir vom Klimawandel bedroht sind. Nicht nur an den steigenden Nahrungsmittelpreisen.

Das GFN berechnet für jedes Jahr den Tag neu, an dem der Ökologische Fußabdruck der Menschheit, also die Inanspruchnahme der Na­tur durch den Menschen, die Biokapazität der Erde übersteigt. Diesen Termin nennt man den „Welterschöpfungstag“ oder „Earth Overshoot Day“, und er wird in jedem Jahr früher erreicht.

Jede unserer Handlungen kostet Naturkapital. Das ist unum­gänglich und an sich nichts Schlimmes. Doch mit unserem Le­bensstil verbrauchen wir in jedem Jahr mehr, als sich im gleichen Zeitraum wieder neu bilden kann. Die Folge sind ausgelaugte Böden, überfischte Meere, Wüstenbildung und Artensterben. Auch der Klimawandel ist Folge der Übernutzung, denn durch die Verbren­nung fossiler Energieträger zum Stillen unseres Energiehungers, wird mehr Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre geblasen als von den Wäldern, Böden und Meeren gebunden werden kann. Damit machen wir viele Regionen dieser Erde bereits jetzt für Men­schen unbewohnbar und heizen Kriege um Ressourcen an.

Kennzahlen des Earth Overshoot Day 2019

Die Biokapazität der Erde ist zwischen 1961 und 2014 zwar fast um 27% angestiegen, doch gleichzeitig hat sich die Weltbevölkerung mehr als verdoppelt. Dadurch hat sich die Biokapazität pro Kopf global von 3,1 gha auf 1,7 gha fast halbiert. In diesem Zeitraum hat sich der Ökologische Fußabdruck pro Kopf global um ca. 24% von 2,29 gha auf 2,84 gha vergrößert.

Stärker als im globalen Trend ist in Deutschland zwischen 1961 und 2014 die Biokapazität absolut um ca. 44% angestiegen, das Bevölkerungswachstum dagegen nur um etwa 9,5%.  Damit ergibt sich eine Zunahme der Biokapazität pro Kopf um 31% von 1,36 gha auf 1,79 gha und eine Vergrößerung des  Footprints pro Kopf um 18% von 4,27 gha auf 5,05 gha.

Der Anstieg der Biokapazität, darüber sollte sich niemand täuschen lassen, war nur durch den Einsatz billigen Erdöls in der industriellen Landwirtschaft möglich. Der Einsatz von immer größeren Maschinen, Dünger und Pestiziden hat zu höheren Erträge geführt. Doch erkauft haben wir uns den Anstieg der Biokapazität auf der anderen Seite mit der Verdichtung, Auslaugung und Abschwemmung der Ackerböden, Grundwasserver-schmutzung durch Gülle, Pestizide und Dünger sowie einem ständig zunehmenden CO2-Ausstoß. Das wird auf Dauer aber die Biokapazität verringern.

Derzeit verbraucht die Menschheit die Naturleistungen von 1,7 Planeten mit der Qualität der Erde. Wollten alle Menschen der Welt so leben wie wir in Deutschland, bräuchten wir sogar 3 Er­den. Wenn wir die Erde als unseren Lebensraum erhalten und Fluchtursachen bekämpfen wollen, müssen wir unseren Natur­verbrauch einschränken.

Es bleibt dabei: Grundsätzliches Umdenken in Politik und Wirtschaft und Verhaltensänderungen jedes Einzelnen sind zwingend notwendig.

Es hat keinen Sinn, sich immer nur an den Symptomen abzuarbeiten. Fluchtursachen bekämpfen heißt nicht, Zäune zu ziehen und Lager zu bauen. Fluchtursachen bekämpfen bedeutet, Lebensbedingungen auch in anderen Regionen der Erde zu erhalten, unter denen Menschen dort gut leben können. Dürreschäden bei uns kann man nicht durch Soforthilfen in Milliardenhöhe beikommen, sondern nur durch eine geänderte Landwirtschaft und mit der drastischen Verringerung des CO2-Ausstoßes. Das bedeutet aber das Ende der industriellen Landwirtschaft mit Massentierhaltung, Pestizid-  und  Düngereinsatz, eine andere Verkehrspolitik mit deutlicher Verringerung des Individualverkehrs und dem Ausbau des Schienennetzes sowie einem sofortigen Ausstieg aus der Kohleverstromung.

Und ganz Grundsätzlich müssen wir weg von dem Gedanken des grenzenlosen Wirtschaftswachstums, denn das ist mit einem immer weiter zunehmenden Ressourcenverbrauch verbunden. Grenzenloser Konsum als Voraussetzung für grenzenloses Wachstum ist aber in einer begrenzten Welt schon logisch nicht möglich.

Wenn Bruno Latour in seinem kürzlich erschienenen Buch „Das terrestrische Manifest“ recht hat (und ich befürchte er hat recht), dann können wir von den Eliten dieser Welt nichts mehr erwarten. Sie wissen, dass es so nicht weitergehen kann. Aber sie machen so weiter, weil es sie nicht interessiert, wie es den Menschen ergehen wird. Sie haben die Zukunft aufgegeben und leben nur noch im hier und jetzt. Und machen jetzt ihre Profite. Statt uns abzuschotten in der sinnlosen Hoffnung, wir könnten unseren kleinen Wohlstand erhalten, sollten wir endlich Mitgefühl und Solidarität mit allen Wesen auf diesem Planeten entwickeln. Denn die Nächsten, die nicht mehr wissen werden, wie sie überleben können und wohin sie fliehen sollen, werden wir sein. Dabei geht es, das sollte deutlich geworden sein, nicht darum, über die Aufnahme von Flüchtlingen zu streiten, sondern darum, dass wir unseren Lebensstil so ändern, dass wir nicht auf Kosten anderer leben.

Dass die Verringerung des ökologischen Fußabdrucks nichts mit Verzicht zu tun hat, zeigen bereits viele In­itiativen überall auf der Welt. Wir haben viele Möglichkeiten für einen zukunftsfähigen Lebensstil. Wir müssen sie nur nutzen.

Informationen zum Overshoot und weiterführende Links dazu findest du beispielsweise auf folgenden Internetseiten:

http://www.footprintcalculator.org/
https://www.fussabdruck.de
https://www.footprintnetwork.org/
https://www.footprint.at (hier auch weitere Hintergrundinformationen)
https://take5.plattform-footprint.de
https://www.transition-initiativen.de/
https://www.overshootday.org/ (mit Vorschlägen, wie jeder von uns SOFORT seinen Footprint verkleinern kann)

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