Android-Handys länger nutzen

Handys, besonders Android-Handys, gehören bei uns zum Alltag. Es gab in Deutschland im ersten Quartal 2017 mehr als 131 Millionen Mobilfunkanschlüsse. Durchschnittlich wird ein Handy nur 18 Monate genutzt, bevor ein neues angeschafft wird. Das ist aber oft vollkommen überflüssig, verbraucht wichtige Ressourcen und vergrößert den Ökologischen Fußabdruck. Manchmal wird das Handy nur deshalb zu langsam, weil der Speicher voll ist. Da reicht es vollkommen, das Handy aufzuräumen. Im Zweifelsfall wieder auf Werkseinstellungen zurückzusetzen. Die Kontakte und andere wichtige Daten müssen natürlich vorher gesichert werden, weil beim Zurücksetzen alle Daten gelöscht werden.

Reparieren

Leider werden Handys heute oft so hergestellt, dass sie nicht lange halten und nur schwer zu reparieren sind. Ausnahmen sind das Fairphone und das Shiftphone, Android-Handys, die so aufgebaut sind, dass man selbst defekte Module austauschen kann bzw. man darf sie aufschrauben, ohne dass die Gewährleistung verfällt. Wer ein Handy eines anderen Herstellers hat, muss das Gerät reparieren lassen, doch oft ist die Reparatur des Handys teurer als ein neues (gebrauchtes) Gerät. Deshalb erst einmal nachsehen, was die Reparatur kosten wird. Wer nicht zu ungeschickt ist, kann aber versuchen, das Handy, das bereits aus der Gewährleistung ist, selbst zu reparieren. Bei Ifixit  findest du für viele Geräte Reparaturanleitungen und kannst dir gleich die Ersatzteile bestellen. Viele Reparaturanweisungen findest du auch bei YouTube.

Gebrauchte Handys kaufen und verkaufen

Wenn das Handy nicht mehr zu reparieren ist, kannst du dir auch ein gebrauchtes Handy kaufen. Bei Handyverkauf.net findest du verschiedene gewerbliche An- und Verkäufer für gebrauchte Handys. Du kannst dein gebrauchtes Handy auch auf dem Flohmarkt oder über eine online-Plattform (z.B. eBay) kaufen oder verkaufen. Allerdings solltest du beim Verkauf darauf achten, dass deine Daten sicher gelöscht sind, damit vertrauliche Daten nicht in falsche Hände gelangen und du deine Fotos irgendwann im Internet wiederfindest. Das Zurücksetzen auf Werkseinstellung reicht nicht, da die Daten mit speziellen Programmen wiederherstellbar sind. Um die Daten sicher zu löschen, musst du deine Daten erst auf dem Handy löschen, das Handy verschlüsseln und dann im Recovery-Modus auf Werkseinstellungen zurücksetzen bzw. die Daten formatieren. Wie du die Daten auf deinem Handy sicher löschst, kannst du hier nachlesen.

Android Custom-ROM: Aus Alt mach Neu

Selbst wenn das Handy gut behandelt wird, gibt es in der Regel nach zwei Jahren für das Gerät keine neue Android-Version mehr, sodass neuere Apps unter Umständen nicht mehr darauf laufen. Wer diese nutzen will, ist gezwungen, sich ein neues Handy zu kaufen. Auch gibt es für ältere Android-Versionen keine Sicherheitsupdates mehr.  Hier kann ein Custom-ROM, also eine Android-Version, die nicht von Google bzw. dem Hersteller zur Verfügung gestellt wird, das Leben deines Handy verlängern. Das bekannteste Custom-ROM dürfte LineageOS sein. Eine Liste aller Smartphones und Tablets, für die es  LineageOS gibt, und die dazugehörenden Download-Links findest du hier. Manche Custom-ROMs haben Eigenschaften, die dem offiziellen Android von Google fehlen. Oder sie sind auf das Wesentliche reduziert, damit das Handy schneller wird und Akku spart. Und du brauchst kein Konto bei Google. Statt über den Google Play Store kannst du Apps über F-Droid, Yalp (aus dem F-Droid-Store), Racoon  und andere App-Shops herunterladen. Mehr zu den Alternativen zu Google Play Store in diesem Artikel. Seit Anfang 2018 gibt es das Projekt „MicroG„, bei dem das aktuelle LineageOS mit einer Alternative zu Googles Playservices versehen ist. Das alte Handy kann länger genutzt werden und man umgeht die Datenkrake Google. Du glaubst, du könntest dem Ausspionieren durch Google entgehen? Dann sieh dir das erst Video auf dieser Seite an. Die Download-Links für „LineageOS for MicroG“ findest du hier.

Rien ne va plus – Was tun, wenn das Handy nur noch Schrott ist?

Wenn das defekte Handy nicht mehr zu reparieren ist, darf es auf keinen Fall in den normalen Hausmüll geworfen werden. Handys enthalten wertvolle Rohstoffe wie Silber, Gold und Platin sowie in den Akkus giftige Schwermetalle. Auch die Schublade ist nicht der richtige Ort für Elektroschrott. Es sollte unbedingt recycelt werden. Dazu kannst du es bei jedem großen Elektrohändler, deinem Mobilfunkanbieter oder auf dem Wertstoffhof abgeben. Oder kostenlos mit der Post entsorgen. Wie das geht, kannst du bei Utopia nachlesen. Dort gibt es auch Tipps, wie du dein Alt-Handy für einen guten Zweck spenden kannst, beispielsweise über die Handy-Aktion, die Mobile-Box oder Handys für die Umwelt. Eine weitere Internetseite, über die du alte Handys kostenlos abgeben kannst, ist Handysammelcenter. Alle Annahmestellen sortieren noch gut erhaltene Handys aus, löschen die Daten und sorgen für eine längere Nutzung der Handys. Die Handys, die nicht weiter genutzt werden können, kommen zum Recycling. Das unten stehen Video erklärt das genauer.

So wichtig und sinnvoll das Recycling auch ist, es ist nie die beste Lösung. Reduzieren des Ressourcenverbrauchs und längere Nutzung der Produkte sind in der Regel sinnvoller. Abfall, der nicht produziert wird, muss auch nicht entsorgt werden. Warum es besser ist, Handys so lange wie möglich zu nutzen und zu reparieren, statt ständig neue zu kaufen und die alten zu recyceln, wird im Artikel „Das Handy – Goldgrube und Sorgenkind“ deutlich. Sehr lesenswert.

Was mit deinem alten Handy passiert, kannst du dir in diesem Video ansehen:




Rotes Grün

Pioniere und Prinzipien einer ökologischen Gesellschaft
Eine Veröffentlichung der Rosa-Luxemburg-Stiftung

Rot GrünHans Thie
VSA Verlag 2013
Hamburg. 176 Seiten.

Kurztext: »Grüner Kapitalismus« ist kompatibel mit den Mächtigen, sorgt für das Flair ökologischer Modernität. Aber er ist keine Antwort, wenn es um fundamentale Zukunftsfragen geht. Wer Ökologie für alle will, muss die Wirtschaftsordnung ändern. Sattes Grün verlangt kräftiges Rot.

Strom nur mit Sonne und Wind, neuen Speichern und intelligenten Netzen. Kaum noch Autos in den Innenstädten. Bahnen und Busse fahren öffentlich finanziert. Mit dem Flugzeug zu fliegen und Fleisch zu essen, ist uncool geworden. Die Industrie macht Dinge, die jahrelang halten und leicht zu reparieren sind. Werbung und Mode sterben dahin. Alles Falsche schrumpft mit hohem Tempo. Und die Wirtschaft, die früher nur mit permanentem Wachstum funk­tionierte, bricht nicht zusammen.

Die Bürgerschaft hat ihr Leben selbst in die Hand genommen. Arbeitslos ist niemand mehr, der Sechs-Stunden-Tag die neue Norm. Unternehmen gehören den Produzenten. Wissen und Kultur sind öffentliche Güter, der Geist ist frei. Vor Ort sorgt die Kommune für ein gutes Leben. Alles Öffentliche ist kompromisslos öffentlich geworden. Für wichtige Themen gibt es den Volksentscheid.

Ist eine solche Wandlung hin zur Vernunft, zur Mäßigung, zum in jeder Hinsicht gleichen Recht möglich? Ja. Wer sucht, der findet stille Revolutionen an vielen Orten. Kooperation, Gleichheit und Planung sind im Begriff, neue Leitprinzipien zu werden. Stellen wir uns vor, die Bevölkerung hätte nicht nur Parteien, Kandidatinnen und Kandidaten zu wählen, sondern die Grundstrukturen von Wirtschaft und Gesellschaft, und der Mehrheitswille wäre Gesetz. Die Demokratie gilt. Der Souverän ist souverän. Das ist der Sprung, der nötig und möglich ist.

Der Autor:
Dr. Hans Thie ist Wirtschaftsreferent der Fraktion DIE LINKE im Bundestag. Infos und Kommentare zum Rot en Grün: www.ThieCompany.de

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Mülltrenner, Müsliesser und Klimaschützer

Wir Deutschen und unsere Umwelt

Mülltrenner, Müsliesser und KlimaschützerVolker Quaschning
Carl Hanser Verlag 2010
München. 248 Seiten

Wir Deutschen sind Weltmeister im Umweltschutz – wir verteilen unseren Müll brav auf mehrere Tonnen, essen vorzugsweise Bio, bauen Solaranlagen auf unsere über alles geliebten Eigenheime und sind stolz darauf. Aber sind wir wirklich so gut, wie wir denken?

Immer sind wir nämlich nicht die Ersten beim Umweltschutz. Beim Thema Auto hört in Deutschland der Spaß auf. Freiwillig Tempo hundert auf der Autobahn, nur um das Klima zu retten? Das Ozonloch haben die Briten entdeckt und den Treibhauseffekt die Amerikaner oder Franzosen. Wir sind beim Umweltschutz also auch mal wieder nur der gefühlte Weltmeister, so wie beim deutschen Fußballsommermärchen. Aber wenigstens hatten wir und die Deutschlandflaggenhersteller beim Sommermärchen viel Spaß.

Wenn wir uns aber irgendwie auch als Umweltweltmeister fühlen, haben wir ja möglicherweise auch ganz heimlich Freude an der Umwelt gefunden. Ab und zu scheint uns aber der ganze Umweltschutz doch den Spaß zu verderben. Dabei hat jede und jeder von uns so seine eigene Spaßschwelle. Ein Grund, einmal eine Bestandsaufnahme über uns Deutschen und den Umweltschutz zu machen.

Umwelt- und Klimaschutz einmal anders: In liebevoll illustrierten Geschichten rund um Mülltrenner, Vegetarier und Müsliesser, Wassersparer und Warmduscher, Kernkraftwerke und bunten Strom zieht der Autor eine humorvolle und informative Bilanz des Umweltschutzes in Deutschland. Leser finden unter anderem Antworten auf folgende Fragen:
Sind Vegetarier die besseren Menschen? Wie unterscheiden sich die Müllkulturen in Europa? Und warum decken Versicherungen eigentlich keine Schäden durch Kernenergie ab?

Leseprobe



Angst

von Petra Stechele

Auf Angst vor einer komplexen Wirklichkeit gibt es verschiedene Reaktionen. Eine besteht darin, sie zu verdrängen und weiter so zu tun, als wäre alles in Ordnung, meist gepaart mit der Flucht in eine fiktive Scheinrealität. Das ist es, was uns auch gerade in Form des sich verbreitenden Populismus begegnet, der sich in eine vermeintliche Rückkehr in die Nationalstaatlichkeit flüchtet und meint, damit wären schon alle Probleme der Zukunft gelöst und unser Wohlstand für immer gesichert. Die andere besteht in einem beherzten Blick auf die Welt, um sich ihr zu stellen, die eigenen Trägheit zu überwinden und zu handeln.

Trägheit verträgt sich nicht mit dem Schutz unserer Lebenswelt – nein, überhaupt nicht mit dem Leben. Wir überwinden sie aber nur, wenn die Angst so groß wird, dass sie uns dazu treibt.

Der Philosoph Wilhelm Schmid sagte in einem Artikel über German Angst, dass Angst auch ihre positiven Seiten habe, weil wir sonst nicht handeln würden, nichts uns zur Überwindung von Trägheit ansporne. Dabei erwähnte er, dass ihm die Angst vor der ökologischen Katastrophe noch zu gering sei. Denn die sei seiner Ansicht nach ein wirklich reales Gefahrenpotential, das Handlung erfordern würde und genau hier würde sie in fataler Weise unterbleiben.

Statt des sehr realen Abenteuers, der Gestaltung unserer Zukunft und Abwehr der Gefahren für die Umwelt, flüchten wir uns in für uns gefahrlose virtuelle Spiele und Scheinwelten, die uns selbst nur sehr bedingt fordern und fördern. Und womöglich übersehen wir darin die Gefahren, die uns wirklich drohen. „Brot und Spiele“, das war schon im historischen Rom ein beliebtes Mittel, das Volk abzulenken und zufrieden zu halten. Auch heute haben unsere Regierungen nichts dagegen, wenn wir uns mit Vergnügungen zudröhnen, die uns nicht voranbringen. Nicht ohne Grund wurde im Jahr 1984 unter Bundeskanzler Helmut Kohl, dem Verfechter der „geistig-moralischen Wende“, der Rundfunk privatisiert.

Leider ist Trägheit ein Hauptfaktor kultureller Dekadenz. Ein Faktor, der eines Tages unseren Untergang besiegeln könnte.

Warum?

Wir vermeiden aktives körperliches Tun. Alle Arbeiten, die anstrengen, lassen wir von Maschinen erledigen. Manchmal ist das verständlich, denn viele Arbeiten sind ja auch auf Dauer gesundheitsschädlich. Aber dass wir am Ende immer bequemer werden und NICHTS mehr selbst tun wollen, führt zu körperlichen Schäden und Herz-Kreislauferkrankungen. Wir sitzen zu viel. Das müssen wir wiederum durch Sport ausgleichen. Weil das vielfach sehr unbequem ist, brauchen wir auch dazu wieder Maschinen. Die finden wir im Fitnesscenter. Sie ersetzen uns die Bewegung in Welt und Natur. – Ja, wir werden dadurch ein wenig unabhängiger von unserem beschädigten Klima. Was stört uns heiß oder kalt, nass oder trocken?

Wir merken dabei nicht einmal mehr, dass wir zunehmend unser Leben auf diese Weise ersetzen.

Wodurch?

Man könnte sich beinahe fragen, ob wir nicht sogar mit dem Fernseher so etwas wie einen Lebensautomaten erfunden haben. In vielfacher Hinsicht ersetzt er uns ein eigenes Leben. Findet es nicht statt, schauen wir eben fremdem Leben zu. Und je virtueller unsere Möglichkeiten der Freizeitgestaltung werden, umso weniger sind wir noch wirklich an unserem Leben beteiligt, noch wirklich aktiv darin. Eine Bekannte erzählte mir kürzlich von einem virtuellen Erlebnis mit neuen Medien, einer Brille, die eine andere Realität vorspiegelt und wie beeindruckend real und zugleich verwirrend das war. Sie konnte durch eine völlig andere Wirklichkeit gehen, hatte aber brutale Kopfschmerzen danach.

Ja, so können wir auch Abenteuerautomaten erfinden und darin Dinge erleben, die wir gar nicht mehr wirklich erleben. Wir ersetzen alles, sogar die Welt durch Automaten.

Aber was ist die Folge? Was tun wir dann eigentlich noch selbst? Wer sind wir dann noch? Wer können wir noch sein? Wie können wir uns entwickeln?

Wir verlernen Fähigkeiten, die wir einmal real beherrschten. Unser Leben wird reduziert auf Künstliches, Nicht-Reales. Schon im Fitnesscenter laufen wir, aber nicht mehr über Boden, sondern ebenen Gummi. Wie viele Fähigkeiten der Balance, des Ausgleichs von Bodenunebenheiten, wie viele Tempokorrekturen, wie viele unterschiedliche sinnliche und Muskelaktivitäten werden dabei nicht mehr gebraucht? Stattdessen arbeiten wir daran, dass Roboter lernen Bälle zu fangen. Unseren eigenen Kindern bringen wir es nicht mehr bei.

Wir können nichts mehr mit unseren Händen herstellen und es gibt auch kaum noch jemand, der es könnte. Wir kaufen ein neues Teil, das von einem Automaten gemacht wurde, das billig ist, nichts wert, oft nicht einmal schön und schnell wieder weggeworfen wird, weil es nicht zu reparieren ist.

Wir kochen nicht mehr selbst. Wir wissen oft gar nicht mehr, wie das Rohprodukt aussah, das wir essen, wie es riecht, schmeckt aussieht, wie es sich entwickelt und verändert, wenn es wächst, reift, wenn es bearbeitet wird, welche Vielfalt dabei möglich ist, welcher Reichtum der Variationen an Aussehen, Duft und Geschmack. Wie viele Arten verschwinden, weil wir uns nicht für sie interessieren und wie sehr verarmt dabei unsere Welt, wie sehr unsere Fähigkeiten und sinnlichen Erfahrungen. Tierarten, die wir nicht mehr kennen oder nie kannten, Pflanzen und Früchte, deren Farben und Formen wir nicht mehr wahrnehmen.

Ich habe Kinder erlebt, die Angst hatten, eine Wiese zu betreten, weil es darin Insekten gibt. Natürlich ist das Leben ein Risiko, ist es immer gewesen. Aber es verschiebt sich die realistische Einschätzung der Gefahren.

Was ist der Ersatz dafür? Das Scheppern in einem Kopfhörer, das Flackern in einer Computerbrille? Isolierte Wahrnehmungen mit dem Gestank nach angeschmortem Kabel, Kunststoff und Metall, bestenfalls noch irgendwo ein bisschen angekokelt oder fettgeschmiert.

Unsere Regierung schlug vor, dass wir doch ständig Katastrophenvorräte für zehn Tage vorhalten sollen und natürlich immer wieder erneuern und die alten entsorgen. Ein gutes Wachstumsmodell, wie der Rauchmelder, der ständig neue Batterien braucht, damit er einen in Ruhe schlafen lässt. Wie viele Hunderttausende von Leben wird er schon gerettet haben, seit er eingeführt wurde? Ein bisschen Gespür für Realität, ein bisschen Verstand, das scheint uns langsam verloren zu gehen.

Giovanni di Lorenzo schreibt in der ZEIT: „Populismus ist vor allem ein Derivat der Angst, die eine ständige Begleiterin großer gesellschaftlicher und politischer Umbrüche ist. Heute hat sie ihren Ursprung vor allem in einer Globalisierung, die weit mehr ist als der freie Austausch von Waren. […] Die Globalisierung hat die soziale Lage in der Welt verbessert, sie hat Länder zusammenrücken und ein Gefühl der Gesamtverantwortung für Leid und Unrecht auf allen Kontinenten entstehen lassen.

Jetzt kommt es darauf an, ob die Politik Pläne hat, wie mit den erheblichen Kollateralschäden zu verfahren ist. Denn das Gefälle zwischen Arm und Reich innerhalb der einzelnen Gesellschaften hat zugenommen, Einwanderung und Flüchtlingswellen haben das soziale und kulturelle Gefüge vieler Länder verändert. [Anm. d. Verf.: Ich würde Flüchtlingswellen durch Flucht ersetzen, weil mit Ausdrücken wie Flüchtlingswelle oder Flüchtlingsströme der Eindruck entsteht, wir würden von den Flüchtenden überrollt, was ja schon rein zahlenmäßig ein unrealistisches Bild ist.] Die digitale Revolution bedroht Millionen Arbeitsplätze (bevor sie vielleicht neue schafft). Darauf reagieren Populisten mit dem Heilsversprechen neuer nationaler Grenzen […] Wer dagegen erfolgreich angehen möchte, muss beweisen, dass Regierungen auch in der Diversität Ordnung schaffen können und sehr wohl noch in der Lage sind, Macht auszuüben, zum Beispiel gegenüber Banken und entfesselten Großkonzernen – insbesondere den digitalen.“

Hier trifft er das Problem sehr genau und zitiert abschließend Winfried Kretschmann:“ Anstatt Vorgaben für das gute Leben und die individuelle Lebensgestaltung zu machen, sollten wir uns auf den Kampf für eine gute Ordnung der Dinge konzentrieren.“

Das Leben lebt von der Vielfalt. Auch von der Vielfalt im Miteinanderleben unterschiedlicher Menschen. Denn der Kampf um die Lebensgrundlagen auf dieser Welt vereint uns letztlich alle und nur so können wir auch die Fluchtursachen zu verhindern helfen. Denn wir müssen erkennen, wie sehr das eine mit dem anderen zusammenhängt. Leider geschieht das bisher nicht, ganz im Gegenteil, der Schutz der Lebensgrundlagen unserer Umwelt wird seit der Flüchtlingskrise eher verdrängt und weniger ernst genommen.




Neben uns die Sintflut

Die Externalisierungsgesellschaft und ihre Praxis

Neben uns die SintflutStephan Lessenich
Hanser 2016
Berlin. 224 Seiten

Wer zahlt den Preis für unseren Wohlstand? Der Soziologe Stephan Lessenich über das soziale Versagen unserer Weltordnung.

Uns im Westen geht es gut, weil es den meisten Menschen anderswo schlecht geht. Wir lagern systematisch Armut und Ungerechtigkeit aus, im kleinen wie im großen Maßstab. Und wir alle verdrängen unseren Anteil an dieser Praxis. Der renommierte Soziologe Stephan Lessenich bietet in dem Buch „Neben uns die Sintflut“ eine brillante, politisch brisante Analyse der Abhängigkeits- und Ausbeutungsverhältnisse der globalisierten Wirtschaft. Er veranschaulicht das soziale Versagen unserer Weltordnung, denn es profitieren eben nicht alle irgendwie von freien Märkten. Die Wahrheit ist: Wenn einer gewinnt, verlieren andere. Jeder von uns ist ein verantwortlicher Akteur in diesem Nullsummenspiel, dessen Verlierer jetzt an unsere Türen klopfen.

„Lessenich spricht aus, was viele nicht hören wollen. … Fair einkaufen ist nicht genug, das wird einmal mehr deutlich durch das Buch ‚Neben uns die Sintflut‘. Doch statt zu entmutigen, versetzt Stephan Lessenich den Leser und die Leserin in eine Art Aufbruchstimmung.“ Barbara Streidl, taz, 28.02.17

„Dieses Buch würde man manchmal am liebsten in die Ecke feuern, denn der Soziologe Stephan Lessenich konfrontiert einen mit Tatsachen, die man gern verdrängt, weil man sein Leben ändern oder wenigstens ein schlechtes Gewissen haben müsste, wenn man es nicht täte.“ Susanne Lenz, Frankfurter Rundschau, 14.12.16

„Eine verstörende Analyse weltweiter Ungleichheit. … ‚Neben uns die Sintflut‘ ist soziologische Analyse und moralischer Appell zugleich. Das Buch legt den Finger in die Wunde, indem es daran erinnert, dass der Reichtum einer Minderheit nicht allein ihrem Fleiß oder einer produktiven Wirtschaft zuzuschreiben ist, sondern maßgeblich, wie Lessenich sagt, der strategischen Position in der Weltwirtschaft.“ Isabell Fannrich, Deutschlandfunk, 21.11.16

Interview mit Stephan Lessenich bei Jetzt, einem Online-Magazin der Süddeutschen Zeitung.

Leseprobe aus Neben uns die Sintflut



Der urbane Planet

Wie Städte unsere Zukunft sichern.

Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen WBGU 2016
Berlin. 35 Seiten.

Deutsche Version: download als pdf (23 MB, 31 Seiten)
Englische Version: download as pdf (23 MB, 31 p.)

Die Zukunft unserer Zivilisation entscheidet sich in den Städten. Die international vereinbarten globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen und das Pariser Klimaabkommen werden nur umsetzbar sein, wenn wir weltweit Städte nachhaltig und lebenswert gestalten.

Dabei können die Probleme und mögliche Lösungen je nach Stadt und Stadtgesellschaft sehr unterschiedlich sein. Die Städte dieser Welt sind sehr verschieden und entwickeln ihre ganz „persönlichen Eigenschaften“. Entsprechend treten sie in diesem Comic auch als markante Charaktere auf.

Das Ziel der Städte in diesem Comic ist es, Wege zu einer Transformation in Richtung Nachhaltigkeit zu finden. Zur Orientierung dient dabei ein normativer Kompass. Dieser hilft Stadtentwicklung so zu gestalten, dass die natürlichen Lebensgrundlagen erhalten bleiben, dass Teilhabe in all ihren Dimensionen gewährleistet ist und dass die urbane Vielfalt der Städte und die Lebensqualität der Stadtbevölkerung berücksichtigt werden.

Um der urbanen sozio-kulturellen Vielfalt gerecht zu werden, haben wir Künstlerinnen und Künstler aus unterschiedlichen Kulturkreisen (Deutschland, England, Indien, Japan und Kamerun) gewinnen können. So spiegelt sich die Eigenart der Städte und Stadtgesellschaften auch in der grafischen Umsetzung.

In diesem Comic fassen wir wesentliche Aussagen des WBGU-Gutachtens Der Umzug der Menschheit – Die transformative Kraft der Städte in einer illustrierten Geschichte zusammen. Wir hoffen, dass wir damit Stadtgesellschaften Mut machen, sich mit Kreativität und Spaß für eine lebenswerte und nachhaltige Gestaltung ihrer Städte einzusetzen.

Weitere Informationen auf der Internetpräsenz des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen WBGU.




Konzernatlas

Daten und Fakten über die Agrar- und Lebensmittelindustrie

Konzernatlas 2017

Heinrich-Böll-Stiftung
Rosa-Luxemburg-Stiftung
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
Oxfam Deutschland,
Germanwatch
Le Monde diplomatique

Berlin. 52 Seiten.

Die Produktion von Lebensmitteln hat nur in seltenen Fällen etwas mit bäuerlicher Landwirtschaft, mit traditionellem Handwerk und einer intakten Natur zu tun. Sie ist heute weltweit vor allem ein einträgliches Geschäft von wenigen großen Konzernen, die sich die Felder und Märkte untereinander aufteilen. Und der Trend zur Machtkonzentration geht weiter. Übernahmen wie die von Monsanto durch Bayer oder die Aufteilung der Märkte von Kaisers/Tengelmann zwischen Rewe und Edeka sind nur die Spitze eines Eisberges, zu dem eine problematische Marktmacht und großer politischer Einfluss gehören. Außerdem ist die industrielle Landwirtschaft weltweit für gravierende Klima- und Umweltprobleme verantwortlich.

Inhaltsverzeichnis:

  • Impressum
  • Vorwort
  • Register
  • Die Unternehmen im Konzernatlas
  • Geschichte: Der Trend zum Global Player
    Ob Protektionismus oder Liberalisierung – die Nahrungsmittelindustrie wächst. Entlang der ganzen Lieferkette werden Unternehmen durch Fusionen immer größer.
  • Plantagen: Moderner Grossgrundbesitz
    In der südlichen Hemisphäre sind neue Konzerne entstanden, die riesige Ländereien kaufen oder pachten. Darauf entstehen Monokulturen für eine neue industrialisierte Landwirtschaft.
  • Agrartechnik: Wenn Ackerschlepper online gehen
    In der landwirtschaftlichen Produktion führt die Digitalisierung zum Farm Management und zur Präzisionslandwirtschaft. Das lohnt sich nur mit viel Kapital und großen Flächen.
  • Wasser: Blaues Gold in privater Hand
    Für die Industrie ist Wasser ein begehrtes Produkt, das kommerzialisiert werden muss. Ein Recht der Bevölkerung an ihrer Ressource soll es möglichst nicht geben.
  • Düngemittel: Chemie für den Boden
    Die Nährstoffe Stickstoff, Phosphor und Kalium steigern die Produktivität der Landwirtschaft, aber nicht die Qualität der Böden. Die Hersteller setzen auf Wachstum – dem Energieverbrauch und der Umweltverschmutzung zum Trotz.
  • Saatgut und Pestizide: Aus Sieben werden Vier – Eine Branche schrumpft sich groß
    Bayer will Monsanto kaufen und zum  weltgrößten Hersteller von Agrarchemikalien werden. Seine Interessen werden als die des Wirtschaftsstandorts Deutschland gelten.
  • Tiergenetik: Am Anfang stehen die Patente
    Gentechnisch veränderte Tiere erkranken schnell und sind schwer verkäuflich. Doch viele Labors arbeiten an neuen Verfahren und wollen damit die Viehzucht weiter industrialisieren.
  • Pflanzengenetik: Kampf der Proteine
    Schon in wenigen Jahren wollen die  Saatgutkonzerne Kulturpflanzen vermarkten, deren Erbgut durch „Genome Editing“ neue Eigenschaften erhalten hat – und die  sogar als gentechnikfrei gelten sollen.
  • Rohstoffe: Die zweite Ernte der Agrarhändler
    „ABCD“ werden die vier westlichen Firmen abgekürzt, die den Welthandel mit landwirtschaftlichen Produkten dominierten. Jetzt ist ein chinesisches Unternehmen dabei.
  • Hersteller: Marken, Märkte, Manipulationen
    Auf 50 Firmengruppen entfallen 50 Prozent des weltweiten Umsatzes mit der Herstellung von Lebensmitteln. Ihr Anteil steigt, und die Großen wachsen am stärksten.
  • Einzelhandel: In Ketten gelegt
    Wer in den Industrieländern Lebensmittel einkauft, lässt die Kassen von Wal-Mart oder Lidl klingeln. Auch in die Schwellenländer kommt die „Supermarkt-Revolution“.
  • Welternährung: Hunger bleibt auch mit Chemie
    Die Industrie will die Welt ernähren. Aber nicht die Menge an Nahrungsmitteln entscheidet, sondern der Zugang zu ihnen. Schlüsselaufgabe ist die Armutsbekämpfung.
  • Alternativen: Ganz Kleine gegen ganz Große
    Die Agrarökologie setzt auf eine Landwirtschaft, die sich den lokalen Ökosystemen anpasst. Beim Reisanbau gelingt dies in globalem Maßstab, in Europa wird noch experimentiert.
  • Börsen: Investoren suchen Wachstum – Die Äcker sind ihnen egal
    Im Agrarsektor wetten die Spekulanten aktiver denn je. An den Börsen verstärkt das Einströmen von Kapital die Kursschwankungen, von denen Fonds und Finanzierer profitieren wollen.
  • Arbeit: Billig, billig muss es sein
    Auf Packungen im Supermarkt werben allerlei Labels mit dem Schutz von Mensch und Natur. Doch an den miserablen Arbeitsbedingungen in der Produktion ändern sie meistens nichts.
  • Welthandel: Zu viel Einfluss und zu wenig Regulierung
    Internationale Freihandelsabkommen folgen der Logik von Konzernen. Darum gestalten die Agrar- und Nahrungsmittelmultis die Verträge auch gerne mit.
  • Lobby: Behörden unter Druck
    Unter hohem finanziellen Einsatz vertreten Agrar- und Chemiefirmen ihre Interessen gegenüber dem Staat. Von ihm wiederum verlangt die Gesellschaft mehr Schutz.
  • Regeln: Die Marktmacht und die Menschenrechte
    Konzerne missachten immer wieder die Menschenrechte. Freiwillige Maßnahmen reichen nicht aus, verbindliche Regeln sind erforderlich.
  • Reaktionen: Protest, Boykott und Widerstand
    In vielen Ländern wehren sich Menschen gegen eine Agrar- und Handelspolitik, die die Macht der Multis stärkt. Auch einzelne Konzerne geraten in die Kritik.



Und jetzt retten wir die Welt!

Wie du die Veränderung wirst, die du dir wünschst.
Das Handbuch für Idealisten und Querdenker.

jetzt-retten-wir-die-weltIlona Koglin & Marek Rohde
Franckh-Kosmos Verlags GmbH & Co 2016
Stuttgart. 192 Seiten.

Den ökologischen Fußabdruck so klein wie möglich zu halten, empfinden immer mehr Menschen als unverzichtbar für ein positives Lebensgefühl. Wie sich Nachhaltigkeit mit spielerischer Leichtigkeit in den Alltag integrieren lässt, dafür haben Ilona Koglin und Marek Rohde spannende Tipps und viele neue Ideen – angefangen von Ernährung und Wohnen bis zu Reisen in die weite Welt. Ihr schön gestalteter, inspirierender Ratgeber beantwortet Fragen, macht Mut und motiviert zum Mitmachen. Wer noch mehr erfahren möchte, kann die Themen auf der bucheigenen Website vertiefen.

Website zum Buch

Weitere Hintergründe und Tipps, wie du die Welt verändern kannst, findest du natürlich auch unter dem Menüpunkt „Verändern„.




Verzerrte Wahrnehmung

von Petra Stechele

Immer wieder staune ich, welch verzerrte Wahrnehmung einem im Zusammenhang mit dem Umweltproblem begegnen kann. Kürzlich las ich folgenden Satz in meiner lokalen Tageszeitung:

Der Atomausstieg bringt große Risiken für den Steuerzahler mit sich.

Da ist zunächst die völlig falsche Darstellung des Problems. Es ist nicht so sehr der Atomausstieg, der die Kosten verursacht, sondern es sind die Folgen des Atomeinstiegs und zwar schon seit es die Atomkraft gibt. Jegliche Schäden die auftreten, bezahlt seit jeher der Steuerzahler. Folgen der Umweltkatastrophen bei Störfällen, Gesundheitsschäden an Menschen, die im Umkreis leben und bereits im normalen Betrieb von Strahlenbelastungen betroffen sind, insbesondere von Kindern. Macht man sich denn gar keine Gedanken, woher die vielen Krebsfälle bei jungen Menschen kommen. (Natürlich gibt es dafür auch noch andere Ursachen.) Dann ist da noch die Lagerung gebrauchter Brennstäbe und deren Folgen. Die Frage der Endlagerung, auch wenn der Betrieb der Kraftwerke weiterginge, ist sie nach wie vor ungelöst. Alte, schadhafte und unsichere Kernkraftwerke müssen ohnehin teuerst rückgebaut werden.

Wir sollten uns endlich eingestehen, dass wir hier für einen Fehler bezahlen, den wir bereitwilligst mitverschuldet haben, indem wir einverstanden waren. Jedenfalls für lange Zeit und viele sind es noch heute, wenn sie keinen Ökostrom beziehen.

Die großen Risiken sind reine Kosten für etwas, das ohnehin zu entrichten sein wird, heute oder von späteren Generationen, zusammen mit all den Kosten, die bis dahin noch an Umwelt und Menschen entstehen werden, wenn die Kernkraftwerke (und Kohlekraftwerke) weiterbetrieben werden. Es kann hier also nicht von Risiken gesprochen werden, sondern von reiner Schadensbegrenzung. Im eigentlichen Sinn also keinesfalls Risiken, sondern das genaue Gegenteil, Risikominderung ist hier beabsichtigt. Der Steuerzahler kann das Risiko für seine Gesundheit und die seiner Kinder wenigstens in diesem einen Bereich verringern.

Der so genannte Steuerzahler. Wer ist das eigentlich? Geht es hier nicht viel mehr um Menschenleben, um Kinderleben, egal, ob sie im eigentlichen Sinne selbst schon Steuern zahlen oder nicht. Der Faktor des Steuernzahlens ist völlig unerheblich. Es ist eine grundsätzliche Frage, was mit Steuergeldern überhaupt bezahlt werden soll und wer für die Folgen der Kernkraft aufkommen muss. Wem wird hier das Wort geredet? Keineswegs wirkte dieser Titel so, als wäre er im Sinne eines imaginären Steuerzahlers. Vielmehr redet er den Energiekonzernen das Wort. (Ich bezweifelte aber, dass das im Sinne des Autors war, als ich den dazugehörigen Artikel las.) Vielmehr ist es einfach nur Polemik. Hier wird die imaginäre Figur eines Steuerzahlers heraufbeschworen, der Schuldzuschreibungen vornimmt und immer sich selbst als armes Würstchen sieht.

Aber ja, was wird mit unseren Steuern nicht alles finanziert, was muss alles finanziert werden? Wir zahlen für alles. Zuerst dafür, dass Schäden angerichtet werden und dann dafür, dass sie wieder behoben werden. Wenn wir die Kriege betrachten, ist es ganz eindeutig. Wir zahlen für die Militäreinsätze und für den Wiederaufbau, für die Rettung und Versorgung der Opfer schon nicht mehr so gerne. Dabei profitieren wir (die deutsche Wirtschaft) davon, dass anderswo Menschen sterben. Deutschland hat im Jahr 2015 für mehr als 7,5 Milliarden Euro Waffen exportiert (https://www.welt.de/wirtschaft/article152530428/Die-Maer-vom-Rueckgang-deutscher-Waffenexporte.html). Am Aufbau der verwüsteten Regionen verdienen deutsche Bauunternehmen (https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/wiederaufbau-in-libyen-in-der-transall-nach-bengasi-1.1134179).

Genauso ist es mit den Umweltschäden. Regen wir uns darüber auf, dass sie verursacht werden? Nur einige wenige. Den meisten ist es relativ gleichgültig. Sie ziehen vor, nicht hinzusehen. Nehmen wir die Klimaschäden. Wie oft hört man: „Ich hab es lieber warm.“? Nehmen wir die Energiefrage: „Wie viele Leute stören sich mehr an der Optik eines Windrades, als an der eines Amazon- oder Ikea-Hauptlagers oder dem einer riesigen Spedition, dem eines Kraftwerkes? Warum sind Windräder so ein Stein des Anstoßes? Ich bin in einem Nebelgebiet auf stürmischer Hochebene unter Windrädern hindurchgefahren auf wenige Meter Distanz und habe sie nicht einmal bemerkt, erst als der Nebel sich verzog. Dennoch hört man ständig, sie seien laut. Vielleicht das Billigexemplar?

Wie vielen Leuten ist es egal, wie und unter welchen Umständen ein Produkt erzeugt wird und wo es Schäden verursacht? Hauptsache wir sehen es nicht. Ein Chemiker sagte mal: „Unsere Flüsse sind so sauber wie nie.“ Klar, weil wir die Schäden ja outsourcen! Wir vergiften die Flüsse in Indien und anderen Ländern. Im selben Atemzug höre ich andere über Nächstenliebe predigen und werde mir darüber klar, dass das heute nicht mehr genügt, es muss um Fernstenliebe gehen. Oder um Liebe zur Welt und ihren Menschen!
Kürzlich erzählte mir eine Frau, die als Hausmeisterin einer großen Wohnanlage arbeitet, wie schlecht bezahlt sie sei und welches Ausmaß die Ausbeutung langsam annehme. Das stimmt! Danach beschwerte sie sich darüber, dass man beim Discounter nicht freundlich bedient würde. Als ich entgegnete, dass es dort eben auch nur schlecht bezahlte Leute gäbe, die ausgebeutet würden, meinte sie, sie müsse eben sparen. Dabei entgeht diesen Leuten, dass sie damit die Teufelsspirale antreiben, deren Opfer sie am Ende selbst sind, dass sie den Bedarf nach Billigprodukten, die ökologische Misswirtschaft, die Ausbeutung der Böden in der Landwirtschaft dadurch mit verursachen. Gleichzeitig ist die gesamte Familie aber übergewichtig. Da es auch noch andere Läden gibt, bei denen die Bedienung schon etwas freundlicher ist, könnte man zumindest damit beginnen, sich nach der Decke zu strecken und manchmal denken. „Weniger ist mehr“, auch beim Essen. Zudem wäre es gesünder.

Dieselbe Frau berichtete auch davon, dass ihre Kinder alles, was von den eigenen Kindern anfalle, einfach wegwerfen würden, von Spielzeug, über Kleidung bis hin zu Möbeln. Statt an Wiederverwendung zu denken, wird der Container bemüht, bei jedem Umzug der Sperrmüll! Dies ist eine logische Folge des Billigkonsums. Was nichts wert ist, taugt nur für den Müll! Umso schneller wird es wieder entsorgt. Weil es ja nicht hält, weil es ja nicht mal das wenige Geld wert ist. Aber wohin geht dieser Müll? Das ist diesen Menschen schon wieder egal. Weg! Dass sie damit genau die Zukunft der Kinder gefährden, die sie gerade aufziehen, sehen sie nicht. Denn weg ist nicht weg! Weg heißt: es lagert auf einer mondähnlichen Müllkippe (haben sie aber noch nie gesehen!), weg heißt: verbrannt in der Müllverbrennung (wohin gehen die giftigen Abgase und Schlacken?) Warum haben die Leute dann Asthma? Weg heißt: Von welchen Ressourcen sollen die Kinder einmal ihr Leben bestreiten, wenn Böden und Landschaften vernichtet sind? Die Zusammenhänge werden nie hergestellt. Man steigt in den Flieger und fliegt auf die Insel, dahin, wo es noch schön ist. Man hört weg, wenn die Bewohner dort klagen, wie sie zu kämpfen haben, um diese Schönheit vor Zerstörung zu bewahren. Das ist deren Problem, denn man wohnt dort ja nicht!

Natürlich ist diese Familie kein Einzelfall. Sie ist leider typisch. Es gibt noch zu viele davon!

Und ja, ich sehe darin auch ein Versagen der Bildung, das bis zum heutigen Tag andauert, denn bis heute hat sich die Bildungspolitik dieses Problem nicht klar gemacht. Weil unser Bildungssystem anpasst, statt kritikfähig zu machen und zu eigenständigem Denken zu erziehen

Verzerrte Wahrnehmung. Ein Vogel-Strauß-Lebensstil, der alles ausblendet, was er nicht sehen will, auch und vor allem, wenn es die unbequeme Wahrheit ist. Eine absolute Verdrehung der Wahrheit im Zusammenhang mit all diesen Fragen. Und so wird hier sehr schnell aus dem Risiko für das Leben ein Risiko für den Geldbeutel und aus dem Menschen ein Steuerzahler.

Aber hier geht es um nichts Geringeres als eine gesunde und lebenswerte Umwelt für Menschen auch in der Zukunft.




Bemerkungen zum Earth Overshoot Day

von Stefan Simonis

Wieder ist der Earth Overshoot Day ein paar Tage früher. Es ist gut, dass dieses Datum mittlerweile auch in den Medien ein wichtiges Thema ist. Dabei wird auf die tragische Übernutzung unseres Planeten hingewiesen. Darüber hinaus ist es aber wichtig, die wahren Ursachen und ihre Folgen zu benennen. Daher ein paar sehr persönliche Bemerkungen dazu.

Overshoot ist schon jetzt ein Problem.

Es geht nicht alleine darum, dass wir die Erde für zukünftige Generationen unbewohnbar machen, sondern dass wir bereits jetzt mit unserem ausufernden Lebensstil auf Kosten der Menschen in anderen Regionen leben. Die über 65 Millionen Flüchtlinge auf dieser Welt sind ja nicht unterwegs, weil es ihnen Spaß macht. Sie fliehen vor Hunger und Krieg. Beispielsweise hat der Bürgerkrieg in Syrien vordergründig nichts mit der Übernutzung des Planeten zu tun, denn nennenswerte Bodenschätze gibt es dort nicht. Doch die Ursache für den Bürgerkrieg waren Dürren1, Wasserknappheit und daraus resultierend Hunger, auf die die syrische Regierung nicht angemessen reagiert hat. Dass dies Folgen des Klimawandels sind, in dem wir uns befinden und den wir nun auch in Europa zu spüren bekommen, dürfte unbestritten sein. Aber für diesen Klimawandel sind vor allem wir reichen Länder verantwortlich. Aus dem Aufstand gegen eine ignorante Regierung ist ein Krieg der Stämme und Glaubensrichtungen geworden. Russland beteiligt sich auf der Seite der syrischen Regierung am Bürgerkrieg, nicht um gegen Islamisten zu kämpfen, sondern um sich den Zugang zum Mittelmeer und damit zu Ressourcen zu erhalten. In Tunesien, von wo der Arabische Frühling seinen Ausgang nahm, waren Auslöser u. a. die stark gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreise2. Beides Folge unseres Ressourcenverbrauchs und der Spekulation mit Nahrungsmitteln3. Die Kriege im Kongo, Afghanistan und Irak waren ursprünglich Kriege um Ressourcen bzw. den Zugang zu Ressourcen, die wir meinen zu benötigen. Die reichen Länder haben mit der Intervention in diesen Ländern die Systeme destabilisiert und sind somit auch für die nun religiös verbrämten Kriege verantwortlich. Der Terror kommt nicht ohne Grund zu uns. Hier wird, wie es auch von unseren Regierenden gesehen wird, unser Lebensstil bekämpft. Aber es geht im Kern nicht um religiöse Fragen, sondern darum, sich gegen die andauernde Ausbeutung zu wehren. Zumindest spielt unsere Verschwendungssucht auf Kosten der Ärmsten den Extremisten in die Hände.

Gute Vorsätze reichen nicht aus.

Was sind aber unsere Antworten? Wir versuchen uns die Flüchtenden mit Zäunen und fragwürdigen Deals vom Hals zu halten. Dabei wäre die einzig richtige Antwort, die Lebensmöglichkeiten der Menschen zu verbessern, indem wir wirklich das Fortschreiten des Klimawandels verhindern und für eine gerechte Verteilung der Schätze dieser Welt sorgen. Wir dürfen nicht weiter Geschäfte mit Despoten machen, nur um billig an Rohstoffe zu kommen. Waffenexporte mögen lukrativ sein und garantieren uns vielleicht eine Weile lang die Versorgung mit Rohstoffen. Aber mittel- und langfristig verschärfen sie die Situation auch für uns, weil ihr Einsatz nur noch mehr Menschen zur Flucht zwingt. Wir müssen die Verbrennung fossiler Energieträger sofort stoppen und den Menschen in den Regionen, die bereits jetzt unter dem Klimawandel leiden, helfen. Die Hilfe kann aber nicht bedeuten, dass wir Nahrungsmittel dorthin schicken und damit die möglicherweise noch einigermaßen funktionierende Wirtschaft ruinieren. Hilfslieferungen können nur Krücken sein, bis der „Patient“ wieder selbst laufen kann. Das heißt, wir müssen die Menschen vor Ort unterstützen, lokal angepasste Lösungen zu finden. Dazu gehört auch, dass wir aufhören, die fruchtbarsten Böden für unsere eigene Nahrungsmittelproduktion zu nutzen. Wir müssen das Land wieder den Menschen zurückgeben, die dort schon immer gelebt haben. Das bedeutet aber auch, dass wir auf billige Importprodukte verzichten müssen.

Es ist wichtig, wenn in der Berichterstattung zum Earth Overshoot Day darauf hingewiesen wird, weniger zu fliegen, weniger Fleisch zu essen oder mehr Fahrrad zu fahren. Aber das reicht nicht. Wir müssen unseren Lebensstil verändern und wir müssen dieses Wirtschaftssystem verändern. Es muss gerechter und solidarischer werden. Wie der frühere Bundespräsident Dr. Horst Köhler in einem Interview in der ZEIT vom 24. September 20154 mit Bezug auf die Flüchtenden sagte: “Wenn wir erreichen wollen, dass mehr von ihnen zu Hause Perspektiven finden, dann müssen wir endlich das globale Handelssystem fairer machen, die internationale Steuerpolitik gerechter machen und mehr dazu beitragen, dass Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Afrika entstehen. Dazu gehört, den illegalen Kapitalabfluss aus diesen Ländern auch bei uns zu bekämpfen.

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1 https://de.wikipedia.org/wiki/D%C3%BCrren_in_Syrien_im_20._und_21._Jahrhundert
2 https://de.wikipedia.org/wiki/Revolution_in_Tunesien_2010/2011
3 https://www.welthungerhilfe.de/schwankungen-bei-nahrungsmittelpreisen.html
4 https://www.zeit.de/2015/39/horst-koehler-fluechtlinge-interview