Befreiung vom Überfluss

Auf dem Weg in eine Postwachstumsökonomie.

Paech Befreiung vom UeberflussNiko Paech
oekom Verlag 2013
München. 153 Seiten.

Noch ist die Welt nicht bereit, von der Droge „Wachstum“ zu lassen. Aber die Diskussion über das Ende der Maßlosigkeit nimmt an Fahrt auf. Der Umweltökonom Niko Paech liefert dazu die passende Streitschrift, die ein „grünes“ Wachstum als Mythos entlarvt. Nach einer vollen Arbeitswoche möchte man sich auch mal etwas gönnen: ein neues Auto, ein iPad, einen Flachbildfernseher. Ruckzuck steckt man im Teufelskreis aus Konsumwunsch und Zeitmangel. Und nicht nur das: der stete Ruf nach „mehr“ lässt Rohstoffe schwinden und treibt die Umweltzerstörung voran. Dabei gelten „grünes“ Wirtschaftswachstum und „nachhaltiger“ Konsum als neuer Königsweg. Doch den feinen Unterschied hier „gutes“, dort „schlechtes“ Wachstum hält Niko Paech für Augenwischerei. In seinem Gegenentwurf, der Postwachstumsökonomie, fordert er industrielle Wertschöpfungsprozesse einzuschränken und lokale Selbstversorgungsmuster zu stärken.
Das von Paech skizzierte Wirtschaften wäre genügsamer, aber auch stabiler und ökologisch verträglicher. Und es würde viele Menschen entlasten, denen im Hamsterrad der materiellen Selbstverwirklichung schon ganz schwindelig wird.

‚In seinem Buch widerspricht Paech vehement der Vision einer grünen und nachhaltigen Wirtschaft, für die sich auch der Rio+20-Gipfel aussprach. Ihre Fürsprecher setzen auf Wachstum, nur eben umwelt- und ressourcenschonender. Für Paech der falsche Weg:

„Es geht nicht darum, technische Lösungen zu verteufeln. Es geht auch nicht darum, Prozesse des Suchens und Findens neuer Lösungen auszusetzen. Es geht nur darum, sich klar zu machen, dass diese neuen Lösungen niemals dazu führen können, dass das Bruttoinlandsprodukt weiter wachsen und gleichzeitig eine Entlastung der Ökosphäre dabei herauskommen kann.“

Ein grünes Wirtschaftswachstum: Für Paech ist das schlichtweg ein Mythos und begründet seine Haltung an verschiedenen Beispielen: Die Elektromobilität lässt den Bedarf an Seltenen Erden steigen. Der Ausbau von Windkraftanlagen verbraucht Flächen. Der Bau von Passivhäusern führt zu neuen Baugebieten für Einfamilienhäuser, das heißt Landstriche werden versiegelt und der Wohnraum pro Person bleibt viel zu hoch – auch wenn das neue Eigenheim auch noch so umweltfreundlich geplant wurde.

Die Geschichte des technischen Fortschritts war niemals etwas anderes als eine Abfolge von Übergängen zu höheren Ebenen des Energieverbrauchs.

Auf den 150 Seiten verfällt Paech nicht in Groll oder Alarmismus. Im Ton sachlich entwirft er sein Modell einer Postwachstumsökonomie, das er für alternativlos hält. Pointiert macht er klar: Entweder Politik und Bürger gestalten selbst den gesellschaftlichen Umbau oder künftige Energie- und Umweltkrisen werden sie dazu zwingen.

Im Gegenzug verspricht der Volkswirt mehr Freiheit und Selbstbestimmtheit. Indem die Bürger ihren Wohlstandsballast abwerfen, befreien sie sich vom Zwang des Konsums und erfahren dabei auch noch Glück:

„Vielleicht ist mein Glück etwas bescheidener gemessen an den materiellen Inputs. Aber dafür kann ich von mir sagen, dass die Art von Glück, die ich empfinde, insoweit ehrlich ist, als andere Menschen im selben Rahmen genauso versuchen können, glücklich zu werden. Die Übertragbarkeit meines Glücks ist mir dabei wichtig und vor allem, dass mein Glück nicht das Resultat von Plünderung ist.“

Doch wie ehrlich will eine moderne Konsumgesellschaft sein? Reduktion klingt nicht sexy – Subsistenzwirtschaft nach Strickpullover und Sandalen. Da klingt das Versprechen einer nachhaltigen Wirtschaft attraktiver: Nicht teilen, sondern die Geländelimousine mit Biosprit fahren. Spottbillig in den Süden fliegen und zur Beruhigung dafür ein paar Euros für ein Nachhaltigkeitsprojekt spenden.

Es ist gerade Paechs radikale Position, die bei der Lektüre des Buches dazu anregt, ehrlich über den eigenen Konsum, die eigene Wohlstandsanhäufung nachzudenken. Und so liefert Paech mit seiner „Befreiung vom Überfluss“ ein sehr kompaktes sowie wichtiges Buch. Der Leser mag bei der Lektüre ab und an den Kopf schütteln und sich fragen, wie realistisch eine Postwachstumsökonomie ist. Doch das Buch bietet mit seinen konsequenten Forderungen mehr Anregungen als manche „Weiter-So-Literatur“.‘
Sonja Ernst, Deutschlandfunk 06.06.2012

Tage der Utopie 2013

Bericht der Badischen Zeitung vom 28. Januar 2013 zur Veranstaltung „Wachstum und wie weiter?“ an der Katholischen Akademie in Freiburg.

Interview mit Niko Paech auf einfachbewusst.de